Heute morgen können wir die Überraschung von gestern beim Aufwachen noch toppen. Ganz offensichtlich haben wir aus purem Zufall unser Nachtlager genau an dem Foto-Hotspot für den Blick auf den Geirangerfjord bezogen, den wohl alle aufsuchen, die diese Gegend besuchen. Und so verwundert es nicht, dass schon direkt ab Aufwachen bis Abfahrt immer wieder ganze Busladungen von Menschen ausgespuckt werden, die ein paar Fotos machen und dann weiterfahren. Ich meine das überhaupt nicht despektierlich, letztlich machen wir auch nichts anderes (auch wenn wir die ganze Nacht hier verbracht haben). Es kommt mir nur wieder der Gedanke, dass der Mensch doch in gewisser Weise ein Herdentier ist und bleibt. Es konzentrieren sich immer wieder Massen an solchen Hotspots, während viele andere Gegenden, die genausoviel zu bieten haben, fast menschenleer bleiben. EIn Gedanke, den ich auf den Lofoten schon hatte und der mich jetzt wieder beschleicht (wobei mir dieser Ausblick ausnehmend gut gefällt).
Wir frühstücken kurz, machen unsererseits die obligatorischen Fotos (und natürlich auch Selfies) und fahren dann weiter.
Heute haben wir uns den Höhenlagen verschrieben und vor allem dem Fahren besonderer Strecken. Wir fahren zunächst den Gamle Strynefjellvejen, eine landschaftlich besonders schöne Route, die größtenteils eine Schotterstraße ist und auf 27km Länge die Orte Grotli und Videseter miteinander verbindet. Die Straße, deren höchster Punkt auf 1139m liegt, ist nur von Mai bis September für den Verkehr freigegeben, führt über die Hochebene des Strynefjell und wurde 1997 zur „nationalen Touristenstraße“ erklärt.
Was wir gestern gesehen haben an Hochebenen, war definitv nur ein Vorgeschmack. Noch klarer, noch türkisfarbener als gestern präsentieren sich bier ausgedehnte Gebirgsseen und wieder kreuzt unser Weg einen wunderschönen Wasserfall- den Øvstebrufossen, der unmittelbar an der Straße gelegen und gut erreichbar ist.
Wir bleiben „alpin“ und fahren den Sognefjellsvegen, der als Teil des Fylkesvej 55 über den höchsten Gebirgspass Nordeuropas führt (1428m über NN). Ehrensache, dass wir auf dem höchsten Punkt kurz aussteigen und ein Foto machen- auch wenn das Schild am Fanta-Steinen durch hunderte von angebrachten Aufklebern kaum mehr zu lesen ist.
Am späteren Nachmittag geht es allmählich wieder abwärts. Wir wollen heute noch ordentlich Strecke machen (auch weil wir ein wenig die Befürchtung haben, dass uns die Zeit sonst doch davonläuft) in Richtung Vøringfossen. Tatsächlich der einzige Wasserfall, den wir vorab in die Routenplanung mit einbezogen haben, weil er barrierefrei zugänglich sein soll.
Auf dem Weg dahin landen wir unvermittelt in (im wahrsten Sinne!) einem weiteren Superlativ und durchqueren den Lærdalstunnel, den mit 24,5km längsten Straßentunnel der Welt. Also das muss man den Norwegern ja lassen. Sie haben das beste darauf gemacht, dass so viele und so massive Gebirge ihrer Infrastruktur „im Weg“ stehen und haben sich zu wahren Tunnelbaumeistern entwickelt. Wir wussten es vor der Reise nicht, aber es wundert uns nicht, dass Norwegen mit über 1000 Tunnelkilometern noch vor Japan und der Schweiz sowohl nach Zahl als auch nach Gesamtlänge das Feld in diesem Bereich weltweit anführt. Neben der Länge beeindruckt uns auch, dass wir insgesamt dreimal in Tunneln durch unterirdische Kreisverkehre geführt worden sind. Es wirkt schon einigermaßen surreal in einem einigermaßen spärlich beleuchtetem Tunnel auf einmal in eine große blaue Kuppel zu geraten, in der man im Kreis geführt wird.
Eine gute halbe Stunde vor unserem letzten geplanten Spot, dem Vøringfossen, finden wir einen Stellplatz. An einem außer Dienst gestellten Fähranleger sind die Fährspuren und sanitären Einrichtungen zum Campen freigegeben. Nach unserer Erfahrung mit der Fähre von den Lofoten ein echtes Highlight, sich mit dem Wissen schlafen zu legen, dass man von hier aus selbst bestimmt, wann es weitergeht.



























