Ein gutes halbes Jahr nach der gesicherten Diagnose und mit einem Haufen von Erfahrumgen wird es mal Zeit für ein etwas längeres Zwischenfazit meiner Erfahrungen.

Als erstes möchte ich über etwas schreiben, was eigentlich selbstverständlich ist und nicht nur für MS Patienten wichtig, nämlich darüber, wie gut es ist, sich mit anderen Menschen austauschen zu können, die ähnliches erleben und erlebt haben. Natürlich sind die Situationen nicht eins zu eins übertragbar, aber man gewinnt bei jeder Begegnung immer einen neuen Blickwinkel hinzu, der den Gesamtblick wie ein Puzzle Teil vervollständigt – und vor allen Dingen schärft es die Sinne, immer mal wieder die Dinge mit den Augen eines anderen zu sehen.

Ich habe mich recht intensiv in diversen Foren, in Facebook-Gruppen und anderen sozialen Netzen herumgetrieben und bin einfach überwältigt davon, was die moderne Technik für Kommunikation ermöglicht. Ich bin überzeugt davon, dass noch vor wenigen Jahren so manch einer dachte, dass er mit seinen Sorgen und Nöten alleine ist und noch mehr (nicht umsonst nennt man MS die Krankheit der 1000 Gesichter), dass es wohl niemanden gibt, der die gleichen Symptome hat, wie man selbst. Ich habe allerdings festgestellt, dass das Gegenteil der Fall ist. Selbst in fast unmittelbarer Nähe habe ich – und das, teils über Foren, teils über Bekannte, die Kontakt zu Betroffenen in Ihrem Bekanntenkreis hergestellt haben – in den letzten drei Monaten etwa ein halbes Dutzend Menschen kennen lernen dürfen, die auf die eine oder andere Art und Weise in ihrer Symptomatik oder in ihrer Herangehensweise und Einstellung mir sehr ähnlich sind.

Für mich die größte Erkenntnis aus diesen Begegnungen ist, dass die MS es auf der einen Seite nicht verdient, über das eigene Leben zu herrschen, aber auf der anderen Seite ihren festen Platz hat, um Dinge zu bewegen, über die man vorher vielleicht nicht so viel nachgedacht hat. 

Auch war mir für mich definitiv ein wichtiger Baustein die Erkenntnis, dass es wichtig ist, die richtige Work-Life-Balance zu finden, aktiv etwas für die Gesundheit zu tun und vor allem, mehr Gelassenheit zu entwickeln. Ich gebe zu, dass mir vor allem Letzteres immer noch viel zu selten gelingt, auch wenn ich sogar da eine gewisse Besserung erkenne 😎.

Was die Gesundheit angeht, haben vor allem meine Ernährungsumstellung (inzwischen lebe ich fast ein halbes Jahr relativ streng vegan beziehungsweise pescatarisch) und regelmäßiger Sport einfach gut getan. Die Taubheit aus den Fingern ist inzwischen einem reinen Mißempfinden gewichen und meine Gehstrecke konnte ich von 2 km auf inzwischen gut 5 km ausdehnen. Auch meine Gangstabilität hat sich sehr gebessert. Woran ich allerdings trotzdem merke, dass es die progrediente Form der MS ist, ist, dass ich in zwischendurch auch im ganzen Körper immer wieder das Gefühl habe, „dass da etwas nicht stimmt“- für Außenstehende (siehe oben) ziemlich schwer zu beschreiben und unter dem Strich auch nur indirekt einschränkend.

Aber natürlich gibt es auch immer wieder Rückschläge. So hatte ich letzte Woche nach der Physiotherapie das Gefühl, Bäume ausreißen zu können und bin voller Übermut abends noch mal ein paar 100 m gejoggt (beziehungsweise habe es versucht) und am nächsten Tag ging es mir richtig schlecht. Insbesondere war vieles von der Stabilität, die ich wieder gewonnen hatte, gefühlt auf einmal wieder komplett weg. Inzwischen bessert es sich wieder und deswegen ordne ich das mal als völlig normal und „ zu viel auf einmal gewollt“ ein.

Was ich auf jeden Fall – unabhängig von der eventuell eingesetzten Medikation – jedem empfehlen kann. (und das gilt auch für diejenigen, die kein MS haben), ist

  • Regelmäßig Sport treiben (aber nicht übertreiben)
  • Ausgewogen ernähren (eine bestimmte Ernährungsform auszuwählen, wie vegan, pescetarisch, mediterran, entzündungshemmend, hilft dabei, sich nicht zu viele Gedanken machen zu müssen)
  • Sinnvolle Nahrungsergänzungsmittel nehmen, wo Mangel droht, im Zweifel beim Arzt untersuchen und beraten lassen. Bei mir sind es auf jeden Fall Vitamin D, Vitamin B 12, Propionsäure. Alpha-Liponsäure, Magnesium , Astaxanthan und Omega 3, auf die ich nicht verzichten möchte
  • Stress reduzieren!!!! Der Alltag ist oft schon herausfordernd genug, da sollte man sich schon genau Gedanken machen, wo es sich lohnt, sich aufzuregen und wo man mal lieber fünfe gerade sein lässt. Ausnahmen lasse ich nur gelten, wenn es um positiven Stress geht. Und ja, da gibt es einen unterschied und wenn man den nicht kennt, dann merkt man diesen an seiner Auswirkung auf die Gesundheit.

Abschließend möchte ich noch ein Wort zu meinen Infusionen verlieren. Ich hatte absolut keine Nebenwirkungen, soweit schon mal der gute Teil. Ich weiß natürlich nicht, ob es nicht schlimmer ohne diese geworden wäre, aber ich habe nun auch keinen positiven Einfluss bemerkt, den ich jetzt auf die Infusion schiebe. Ich bin ziemlich überzeugt davon, dass die beste Medikation ohne eine entsprechende Lebenseinstellung und gegebenenfalls -umstellung tatsächlich wenig bis gar nichts bringt. Ich habe mir selbst den März als Termin gesetzt, um für mich selbst zu entscheiden, ob ich abgesehen davon, dass ich tatsächlich keine Nebenwirkungen habe, aus der Therapie wirklich Nutzen ziehe. Ob ich diese dann fortführe, es ohne versuche oder ob sogar das Thema Stammzellentransplantation für mich in Erwägung ziehe, ist mir im Moment noch völlig unklar, muss ich gestehen. Mein persönliches Ziel ist, den Fortschritt der Krankheit aufzuhalten. Ich muss weder Leistungssportler werden noch unbedingt wieder 20 km Tageswanderungen machen und auch mit dem Zustand meiner Hände, den ich im Moment habe, kann ich letztlich gut leben

Wer eventuell selbst betroffen ist, der kann mich gerne anschreiben, um sich mit mir auszutauschen. Denn wie oben erwähnt, ist das etwas, was oft wirklich am besten hilft.

Von Helge

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